IM SCHATTEN DER UTOPIE

Brasilien im Spiegel der Erinnerung dreier Frauen einer Familie

Im Schatten der Utopie ist der dritte Teil der Trilogie von Antoinette Zwirchmayr, eine Familiengeschichte spektakulär in ihren Ereignissen und faszinierend fragmentarisch und reduziert dargestellt in Bildern und Stimmen. Nach Der Zuhälter und seine Trophäen über den Großvater, einenbekannten Bordellbesitzer in Salzburg und Josef – Täterprofil meines Vaters über den Vater, der im Alter von 17 Jahren einen Banküberfall beging, nach Brasilien auswanderte und dort eine Edelsteinmine kaufte und betrieb, verwebt sie nun Vergangenheit und Gegenwart ineinander und gibt den Frauen der Familie eine Stimme. Geschichten aus verschiedenen Perspektiven werden sichtbar – nicht zufällig – wie in verschiedenen Filmgenres zwischen politischer Verfolgung, mit Raub und Mord, Abenteurertum, Kindheitsbildern und Fantasien.

Die Stimmen der Großmutter, Mutter und dem „allwissenden Kind“, die oft in schwarzen Bildern beginnen, mal magisch flüsternd, ineinander verwoben, mit Irritationen im Text, denn dieses Kind verbindet historische Fakten mit Lebensgeschichten und schafft damit immer auch einen Blick von außen, auf sich selbst… Die drei Erzählperspektiven zeigen Erinnerungen als Konstruktionen, sind auch Projektionen, auch auf das Land Brasilien, den exotischen Ort, an den die Filmemacherin als Kind reiste und eine andere Welt entdeckte, das beängstigende und faszinierende Ursprungsland der zahllosen Geschenke des Vaters aus einem Paradies, wo er, fern der Familie, große Teile des Jahres verbrachte. Was ist Mythenbildung, was ist real?

Die Bilder brechen die klischeehaften Eindrücke Brasiliens, die die Üppigkeit der Assoziationen, „dieses papageienbunte Leben“ kunstvoll stilisieren, Palmenblätter isolieren, Früchte zu sinnlichen Stillleben in ungewöhnlichem Ambiente arrangieren, Frauen in Tableaux vivants inszenieren. Diese Frauen – wehende Tücher, auf Felsen manchmal gleich Sirenen oder Seherinnen, manchmal Sambatänzerinnen, deren Hüften sich hypnotisch in Großaufnahmen wiegen. Die Bilder und der ganze Film verdichten assoziationsreich und rätselhaft, sind voller ästhetischer Überraschungen in der raffinierten Kombination aus (Familien)Geschichte, traumartiger Bildersuche der Kindheit und Spiegelungen. Musik erklingt nie, wenn sie erwartet wird, sondern sehr markant an dramaturgischen Stellen.

Aus diesem Schatten der Utopie heraus tritt eine Befreiungsgeschichte des „kleinen Mädchens, das ich gewesen sein könnte“, das heute als Filmemacherin ihre eigenen Bilder schafft, das ferne Land und die Vergangenheit bereist und sich mit Erzähltem, Erahntem, Verschwiegenem und Entdecktem auseinandersetzt.

Text: Wilbirg Brainin-Donnenberg

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